Grüner Stammtisch diskutiert über das geplante Gewerbegebiet Nord IV – Wachstum um welchen Preis?
Angesprochen auf das geplante neue Gewerbegebiet am Nütteler Weg stellte der als Gast kurz anwesende Bürgermeister Dietrich Höyns seine Einschätzung des Planungsstandes dar: die notwendigen Flächen wären größtenteils erworben. Auch seien die Planungen für die notwendigen Ausgleichsflächen weit vorangeschritten.
Worum geht es aus Sicht der Grünen? Wo ab 2022/2023 das neue Gewerbegebiet entstehen soll, befinden sich jetzt fast ausschließlich Wiesen, sogenanntes Dauergrünland. Solchen Wiesen, die extensiv bewirtschaftet werden, kommt eine große ökologische Bedeutung zu: Grünland stellt einen natürlichen Kohlenstoffspeicher dar und senkt den CO2-Gehalt der Atmosphäre. Wiesen wirken durch Verdunstung klimaregulierend und mindern Wind- und Wassererosion. Sie reinigen Grund- und Oberflächengewässer und sorgen für eine höhere Artenvielfalt. Auf Grünlandstandorten kommen über die Hälfte aller in Deutschland beobachteten Tier- und Pflanzenarten vor. Extensiv bewirtschaftetes Grünland mit nährstoffarmen Böden ist ein wichtiger Lebensraum für artenreiche, seltene Pflanzengesellschaften und daran angepasste, zum Teil gefährdete Tierarten.
Angesichts des dramatischen Klimawandels mit seinen Dürreperioden auf der einen Seite und den Starkregenereignissen auf der anderen Seite wäre also alles zu unternehmen, um Grünland zu erhalten. Auch das dramatische Artensterben müsste ein Weckruf sein. Aber allein in Niedersachsen ist der Bestand an Grünland zwischen 2003 und 2020 um 72.991(!) Hektar gesunken. (Bundesamt für Naturschutz) Gründe hierfür sind die Intensivierung der Landwirtschaft und die Flächenversiegelung für Bauvorhaben und Verkehr.
Dieser Raubbau an der Natur wird nun auch in Sittensen am Nütteler Weg beim geplanten Gewerbegebiet Nord IV fortgeführt. Dabei sind die dortigen Wiesen noch eines dieser wertvolleren Gebiete. Im Frühjahr blüht die Fläche bunt-gelb vom Hahnenfuß. Ein kleiner Bereich ist sogar als vitales §30 Biotop nach Bundesnaturschutzgesetz kategorisiert. Das Schwarzkehlchen und der Grauschnäpper sind in dem Bereich noch zu finden. Die Wiese dient als Äsungsfläche für Weißstorch, Rotmilan und Co. Die gesetzlich durchzuführenden Ausgleichsmaßnahmen sind häufig Mogelpackungen, die den ökologischen Verlust nicht ansatzweise ersetzen. Sollte das Gewerbegebiet realisiert werden, wären diese Wiesen unwiderruflich verschwunden.
Es ist nicht die einzelne Baumaßnahme, die unsere Ökosysteme zerstört und uns damit auf Dauer unsere Lebensgrundlagen nimmt. In der Summe aber wirkt sich dieser Flächenverbrauch verheerend aus. Sollte es trotzdem unabdingbar sein, neue Gewerbegebiete auszuweisen, dann wären zumindest Flächen auszuwählen, die einen deutlich geringeren ökologischen Nutzen haben, also Flächen, die bereits versiegelt sind oder intensiv genutzt werden. Sollte die jüngst verabschiedete Klimaschutz-Initiative der Samtgemeinde Sittensen mehr als ein billiges Lippenbekenntnis sein, müssen diese Wiesen erhalten bleiben.